Der Nachweis von BRCA1/2-Keimbahnmutationen bei PatientInnen mit HER2-negativem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinom ist Voraussetzung für eine Monotherapie mit einem PARP-Inhibitor.
Vor Zulassung von PARP-Inhibitoren lag die BRCA1/2-Testrate bei erwachsenen Frauen mit fortgeschrittenem HER2-negativem Mammakarzinom bei nur 22 % (Abb. 1).1 Zu diesem Ergebnis kam eine Studie aus 2015 und 2017 mit Patientinnen aus EU4-Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien) und UK. Teilnehmende Frauen ohne positive Familienanamnese wurden dabei signifikant seltener auf BRCA1/2-Mutationen getestet als Frauen mit positiver Familienanamnese (Tab. 1), zudem war die BRCA1/2-Testrate zwischen 2015 und 2017 rückläufig (Abb. 2).2
Abb. 1: BRCA1/2-Testrate aus den Jahren 2015 und 2017 aus den EU4-Ländern und UK bei erwachsenen Frauen mit fortgeschrittenem metastasiertem HER2-negativem MCa.1Im Vergleich zu den Daten vor Zulassung von PARP-Inhibitoren aus 2015 und 20171 nahm die BRCA1/2-Testrate bei PatientInnen aus EU4-Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien) mit HR+/HER2- Mammakarzinom oder TNBC laut Studiendaten aus 2019 und 2020 mit der Zulassung von PARP-Inhibitoren zu (Abb. 2)2. Bei beiden Subpopulationen befand sich der Großteil der getesteten PatientInnen in jungem oder mittlerem Alter. Bei PatientInnen ab 45 Jahren mit HR+/HER2- Mammakarzinom wurden nur etwa halb so viele Tests durchgeführt gegenüber den PatientInnen mit TNBC.2
Abb. 2: Häufigkeit der BRCA-Diagnostik in Europa vor und nach Zulassung von PARP-Inhibitoren bei Erkrankten mit HR+/HER2- MCa bzw. TNBC.2Es konnte gezeigt werden, dass in Deutschland in den Jahren 2019/2020 bei weniger als der Hälfte der eingeschlossenen PatientInnen mit HR+/HER2- Mammakarzinom der BRCA1/2-Status bestimmt wurde (Abb. 3).2 28 % der PatientInnen wurden auf Keimbahnmutationen mit oder ohne zusätzlichen Nachweis von somatischen Mutationen untersucht. In 10 % der Fälle wurden die PatientInnen nur auf somatische Mutationen untersucht, wobei die Testrate grundsätzlich mit steigendem Alter der PatientInnen abnahm. PatientInnen mit TNBC wurden häufiger auf BRCA1/2-Mutationen getestet, wobei die Testrate ab einem Alter von 55 Jahren ebenfalls deutlich abgenommen hat.3
Abb. 3: Häufigkeit der BRCA1/2-Diagnostik von somatischen und Keimbahnmutationen in Deutschland bei Erkrankten mit verschiedenen Subtypen des MCa aus den Jahren 2019/2020.3Als wichtigste Faktoren für einen BRCA1/2-Keimbahntest nannten behandelnde ÄrztInnen eine positive Familienanamnese, die Leitlinienempfehlung, den Subtyp TNBC sowie das Alter der PatientIn bei Diagnose (Abb. 4).4
Abb. 4: Einfluss verschiedener Faktoren auf die Testrate von BRCA1/2-Keimbahnmutationen bei Erkrankten mit fortgeschrittenem MCa.4Gegenüber den Jahren 2015/2017 hat die Testrate auf BRCA1/2-Mutationen im Zeitraum 2019/2020 bei PatientInnen mit HR+/HER2- Mammakarzinom bzw. TNBC gleichzeitig zur Verfügbarkeit von PARP-Inhibitoren zugenommen. Trotz des Anstiegs erhalten derzeit jedoch weitaus weniger PatientInnen einen BRCA1/2-Test als die Kommission Mamma der AGO e. V. in ihren Empfehlungen von 2021 sowie die aktuelle S3-Leitlinie beim Mammakarzinom empfiehlt.5,6 Bei fehlendem Nachweis einer BRCA1/2-Mutation kann in der Folge bei diesen PatientInnen auch keine Therapie mit PARP-Inhibitoren angeboten werden.
Die Anzahl der durchgeführten Tests unterscheidet sich zudem deutlich zwischen verschiedenen PatientInnengruppen. Insbesondere PatientInnen mit HR+/HER2- Mammakarzinom über 45 Jahre oder mit TNBC über 65 Jahre sowie PatientInnen mit negativer Familienanamnese werden deutlich seltener auf ihren BRCA1/2-Status getestet.
Nach Angaben der aktuellen S3-Leitlinie für das Mammakarzinom haben etwa 70 % aller Frauen in Deutschland, die an Brustkrebs erkrankt sind, keine positive Familienanamnese.6 Auch unabhängig von der familiären Vorgeschichte kann ein Test auf BRCA1/2-Keimbahnmutationen eine Therapieoption für PatientInnen mit Brustkrebs eröffnen. Insgesamt erscheinen entsprechende weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Testraten erforderlich, insbesondere bei PatientInnen mit HR+/HER2- Mammakarzinom und PatientInnen ohne bekannte Familienanamnese.