HER2 - Scoring-Algorithmus

Gemäß der 2018 aktualisierten Leitlinien der American Society of Clinical Oncology und des College of American Pathologists (ASCO/CAP) soll der HER2-Status zunächst mittels Immunhistochemie (IHC) unter Verwendung eines semiquantitativen Scoring-Systems beurteilt werden.1 Auch die deutsche interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms empfiehlt die Bewertung anhand der ASCO/CAP-Guideline.2

Je nach Färbegrad wird dem Gewebeschnitt einer von vier IHC-Scores zugewiesen – von IHC = 0 (keine oder schwache Färbung) bis IHC = 3+ (starke Färbung).1 Ein IHC-Score von 3+ wird demnach als eindeutig HER2-positiv bewertet, ein IHC-Score von 2+ als unklar. In den unklaren Fällen ist der Nachweis einer HER2-Genamplifikation durch FISH, CISH oder SISH erforderlich. Bei einem IHC-Score von 1+ oder 0 wird das Gewebe als HER2-negativ beurteilt.3

ASCO: American Society of Clinical Oncology, CAP: College of American Pathologists, HER2: Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2, IHC: Immunohistochemie, ISH: In-situ-Hybridisierung. (Mod. nach Wolff et al. 2018)1

Dabei ist wichtig anzumerken, dass IHC = 0 nicht auf ein vollständiges Fehlen von HER2-Rezeptoren hinweist, da auch normales Gewebe HER2-Rezeptoren exprimiert. Es konnte gezeigt werden, dass ein Score von 0,  1+,  2+ und 3+ etwa 20.000, 100.000, 500.000 bzw. 2.300.000 HER2-Rezeptoren pro Zelle entspricht.4

In-situ-Hybridisierung (ISH) mit zwei Sonden

Bei einem IHC-Sore von 2+ empfiehlt die ASCO/CAP-Leitlinie zur Bestimmung des HER2-Amplifikationsstatus eine ISH-Testung mit zwei Sonden (Dual-Probe-ISH-Assay).1 Dabei wird neben der genspezifischen Sonde eine Chromosomenzählsonde (Chromosome Enumerating Probe, CEP) eingesetzt. Durch diese duale Markierung werden sowohl das HER2-Gen als auch das Chromosom 17 (CEP17) identifiziert und quantifiziert.

Mehr zu den Nachweismethoden finden Sie hier.

Der folgende Algorithmus zeigt die vorgeschlagene Klassifizierung der Ergebnisse in 5 Gruppen in Abhängigkeit vom HER2/CEP17-Verhältnis. Gruppe 1 (HER2/CEP17-Verhältnis ≥ 2, HER2-Kopienzahl ≥ 4) und Gruppe 5 (HER2/CEP17-Verhältnis < 2, HER2-Kopienzahl < 4) stellen die beiden Extreme des Spektrums der HER2-Bewertung dar (Vorhandensein bzw. Fehlen einer HER2-Amplifikation). Etwa 95 % der mittels Dual-Probe-ISH-Assay auf HER2 getesteten Tumoren fallen in diese beiden Gruppen.1

ASCO: American Society of Clinical Oncology, CAP: College of American Pathologists, ESMO: European Society for Medical Oncology, HER2: Humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2, IHC: Immunohistochemie, ISH: In situ Hybridisierung. * Im Fall von IHC 1+ oder 2+. (Mod. nach Wolff et al. 2018)1

Nur etwa 5 % der Fälle werden den Gruppen 2, 3 oder 4 zugeordnet, die schwierige Szenarien mit nicht eindeutiger Interpretation aufweisen.1 Daher wird für diese drei Gruppen eine zusätzliche Überprüfung der IHC-Objektträger empfohlen, um auf der Grundlage der kombinierten Interpretation von ISH- und IHC-Testung die genaueste Zuordnung des HER2-Status (positiv oder negativ) zu erreichen.1

Das HER2-low-Konzept bei Brustkrebs

Aktuelle Studien haben gezeigt, dass neuartige therapeutische Wirkstoffe, insbesondere Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Antibody Drug Conjugates, ADCs), bei Patientinnen mit derzeit als HER2-negativ eingestuftem Brustkrebs einen erheblichen klinischen Nutzen haben können.4–6 Das könnte zu einem Paradigmenwechsel beim HER2-Status von Brustkrebs führen: Neben der bisherigen Einteilung in HER2-positiven oder HER2-negativen Brustkrebs wird als dritte Kategorie „HER2-low“ vorgeschlagen.4–6

Aktuell gibt es zwar noch keine offiziell anerkannte Definition für HER2-low-Brustkrebs.4 Jedoch wird in den meisten klinischen Studien der HER2-low-Status definiert als Brustkrebs mit einem IHC-Score von 1+ oder 2+ und einem negativen Ergebnis in der ISH.5 Das heißt, es handelt sich dabei um Tumoren, die eine gewisse Expression des HER2-Proteins aufweisen, welche jedoch nicht auf eine HER2-Genamplifikation zurückzuführen ist. Demnach können etwa 60 % der als HER2-negativ eingestuften sowie 45–55 % aller Brustkrebsarten als HER2-low bewertet werden.5,7 Neue Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass die HER2-low-Expression bei Brustkrebs dynamisch ist und in fortgeschrittenen Stadien vermehrt beobachtet wird.8

Häufigkeiten von HER2-positivem, HER2-negativem und HER2-low-Brustkrebs

(Mod. nach Tarantino et al. 2020)5

Es ist wichtig zu betonen, dass sich durch das HER2-low-Konzept die Praxis der pathologischen Auswertung nicht ändern wird, sondern nur die klinische Interpretation. Die im Jahr 2021 von der GEFPICS*-Gruppe in Frankreich veröffentlichten Leitlinien haben das HER2-low-Konzept bereits berücksichtigt und eine HER2-low-Kategorisierung bei Brustkrebs in ihren Testalgorithmus aufgenommen.9

* GEFPICS: Groupe d'étude des facteurs pronostiques immunohistochimiques dans le cancer

HER2: Humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2, IHC: Immunohistochemie, ISH: In-situ-Hybridisierung. (Mod. nach Tarantino et al. 2020)5

Im Zeitalter der personalisierten Medizin ist die Bestimmung des HER2-Status nach wie vor einer der wichtigsten Biomarker bei Brustkrebs, und seine Qualität garantiert eine optimale Versorgung der Patientinnen.